Al Jarreau am Montreux Jazz Festival 2016 (Daniel Balmat)
Al Jarreau am Montreux Jazz Festival 2016 (Daniel Balmat)

“Hi, how are you”… mit gehauchter, leicht gedehnter Samtstimme, hat Al Jarreau, der unvergleichliche Jazz-Vokalist, der mit seiner Stimme Instrumente imitiert und vom Sprechen rappend ins Singen übergeht, sein Publikum von Anfang an in der Tasche. Die Gäste, die sich an diesem schönen Sommerabend im legendären Montreux Jazz Club eingefunden haben, kleben Al Jarreau förmlich an den Lippen. Denn hier ist ein ganz grosser Entertainer am Werk.

Besser als Ella Fitzgerald hören ist: Verliebt sein

Der Gesangs-Grossmeister eröffnet den Abend mit zwei neuen Songs, in seinem ersten Song beschreibt er das Lebensgefühl in der Grossstadt – “11 Millionen Menschen, und doch stehst Du alleine da..”, und sein zweiter Song ist eine neckische Hymne an die Liebe (“Better than hearing Ella Fitzgerald is being in love..Besser als Ella Fitzgerald zu hören ist: Verliebt sein!”). Joe Turano begleitet Al Jarreau leichtfüssig und routiniert, erst am Yamaha-E-Piano, später auch am Konzertflügel, und singt oftmals eine schmissige zweite Stimme. Mit diesem Duo kehrt Al Jarreau an seine Wurzeln zurück, wie er erklärt. Schon sein erstes Konzert in Montreux 1976 bestritt er im Duo, damals allerdings aus Versehen, denn seine Band tauchte nicht auf, und so begründete er die geniale Duo-Form, in welcher er sein stimmliches Improvisationstalent voll ausleben kann.

“Ich würde mich hier ausziehen, wenn…..”

Die Freude steht Al Jarreau ins Gesicht geschrieben, und mit jedem Song scheint er mehr Energie zu bekommen. Er ist hyperpräsent, und zwischen den Songs flirtet er gekonnt mit dem Publikum. “I love to chill”, sagt er, während er sich genüsslich zurücklehnt in seinem Stuhl, einen hellen Borsalino auf dem Kopf, “Ich liebe es, zu entspannen”. “Ich trinke nur Orangensaft”, erklärt er mit listiger Freude, nach einem Schluck aus einem grossen Glas. “Wenn ich etwas anderes trinken würde, dann würde ich mich hier ausziehen, und mir einen Lampenschirm auf den Kopf setzen”, sagt er, mit schelmischem Blick ins Publikum. Weiter gehts mit einer rasanten Mischung aus Jarreau-Klassikern wie “Take Five”, dem Jazz-Evergreen “Cold Duck Time”, in denen Super Star Al sich glucksend und improvisierend zu seiner Bestform aufschwingt, gespickt mit charmanten Bemerkungen zu seinem Pianisten Joe Turano. (“Take your time, Joe – lass Dir Zeit, Joe”), wenn dieser nicht sekundenschnell den nächsten Song anstimmte, und frechen Bemerkungen zum Publikum: ein Paar kommt eine halbe Stunde zu spät zum Konzert, und Al Jarreau kommentiert dies mit: “Oh, hi, schön, dass Sie da sind! Sorry, dass ich mein Konzert pünktlich angefangen habe..» der Saal lacht, und dann trumpfte Al Jarreau auch noch mit Balladen auf. Seinen berühmten Song “We’re in this love together” moderiert der Sänger mit folgenden Worten an: “Wir sind in diesem Traum hier zusammen, Sie und ich”, und meint damit uns, das Publikum. Ja, das sind wir wirklich, und als Magic Al noch “Wait for the magic” anstimmt (“Warte auf die Magie”), treten einem doch fast die Tränen in die Augen. Al Jarreau’s Stimme ist auch im hohen Alter von einer unglaublichen, jugendlichen Frische.

Mit dem Jazz-Jung-Talent Elina Engibaryan im Duett

Nicht jedem bekannt ist, dass Al Jarreau seit mehreren Jahren am Montreux Jazz Festival auch als Förderer von Jung-Talenten tätig ist. Die letztjährige Gewinnerin der Montreux Jazz Academy in der Kategorie “Voice” hatte die grosse Ehre, an diesem Sonntagabend Al Jarreaus Konzert mit einem eigenen, kurzen Programm zu eröffnen, und im zweiten Teil seines Konzerts bat sie der Gesangs-Altmeister zu einem Duett auf die Bühne. Zusammen scatteten sich Al Jarreau und Alina Engibaryan durch ein brasilianisches Song-Medley aus “Agua de beber” und “Mas que nada”, was verblüffend leichtfüssig und vertraut klang.

Nach einem emotionalen Höhenflug mit Mister Al kommt dieser leider irgendwann zum Ende seines Konzerts. Nach standing ovations des begeisterten Publikums stimmt Al Jarreau stimmt “Summertime” von George und Ira Gershwin an, und meint zum Publikum: die Gershwins, das waren ja Immigranten aus Russland. Woher wussten die eigentlich, wie diese Felder aussehen? Und während Al Jarreau singt, breitet er seine Arme weit aus, er wirkt nach diesem fast zweistündigen Konzert erfrischt, und das sind wir auch. Diesem faszinierenden, fesselnden Altmeister würde man gerne noch viel länger zuhören.

MONTREUX JAZZ FESTIVAL
30.06.-16.07.16, Montreux
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