Zehn Jahre ist es her, dass Sunrise Avenue ihre Karriere mit der Single «Fairytale Gone Bad» starteten. Jetzt ist die finnische Pop-Rock-Band nach einer kleinen Auszeit mit ihrem fünften Album «Heartbreak Century» zurück. Wir trafen Frontmann Samu Haber (41) in Zürich zum Interview.
Das neue Album von Sunrise Avenue heisst «Heartbreak Century», also «Jahrhundert des Herzschmerzes». Denkst du, dass Menschen heute wegen des technischen Fortschritts unglücklicher sind?
Samu: Ich weiss nicht, ob es an der Technik liegt. Vor 100 Jahren war man froh, wenn man jemanden an seiner Seite hatte, geliebt wurde und Kinder bekam. Heute wird alles erst kalkuliert, zuerst die Ausbildung und dann der ideale Moment für Kinder. Man sollte sich mehr auf das konzentrieren, was man will, und herausfinden, wer man eigentlich ist. Stehen bleiben und sich an den schönen Sachen orientieren.
Aber jetzt ist doch alles, was man will, immer verfügbar.
Genau. Man kann alles zu jeder Tageszeit haben. Im Restaurant hört man Sätze wie «Ich hätte gerne den finnischen, nicht den thailändischen Koriander». Auch wenn alles greifbar ist, scheinen die Menschen unglücklich und angeschlagen vom eigenen Leben.
In der Lead-Single «I Help You Hate Me» singst du davon, wie du dich einer verflossenen Liebe unattraktiv erscheinen lässt. Unrealistisch, oder?
Auf eine Art, ja. Aber wenn man sich trennt, wäre es doch eine schöne Geste, wenn man der anderen Person helfen würde loszulassen. Das war die Idee hinter dem Song. Ich weiss nicht, ob das schon mal jemand gemacht hat. Ich könnte es nicht, ich bin nicht stark genug.
Sunrise Avenue gibt es jetzt seit 15 Jahren. Wie habt ihr gefeiert?
Der Geburtstag von Sunrise Avenue ist der 14. Februar 2002, also wir sind ja wirklich schon 15 Jahre zusammen, ist mir gar nicht aufgefallen (lacht).
Also müsst ihr noch feiern!
Wir feiern es mit unserem neuen Album. Ich kann es aber kaum erwarten, wenn die Band 18 wird. Dann können wir in eine Bar gehen.
«Wir mussten eine Auszeit nehmen, um neue Songs schreiben zu können.»
Ihr habt vor diesem Album eine Auszeit genommen. Warum?
Wir haben so viel zusammen erlebt, deshalb brauchten wir etwas Abstand voneinander, um wieder Songs schreiben zu können. Wir haben das schon vor der Auszeit probiert, aber es hat nicht wirklich funktioniert. Ich bin glücklich, dass ich die Band und auch mein Leben in Finnland hinter mir lassen konnte, um neue Inspiration zu sammeln.
War das die längste Periode, in der du alleine gereist bist?
Es war nicht an einem Stück. Ich war drei Wochen in London, zwischendurch bei «The Voice of Germany» und anschliessend etwa drei Monate in Australien.
Was hast du davon mitgenommen?
Ich habe gelernt, dass wir machen sollen, was wir lieben und was uns Spass macht, und wir uns nicht aktuellen Trends der Musikindustrie fügen müssen. Und ich habe gelernt, dass es guttut, alleine und weg von zu Hause zu sein.
Warum?
Man trifft viele neue Leute, man muss einen neuen sozialen Kreis aufbauen. Wenn man alleine ist, lernt man sich selber besser kennen. Was man vom Leben, der Musik, den Gefühlen und allem anderen hält. Im gewohnten Umfeld hat man immer dieselbe Rolle.
Ihr seid europaweit bekannt. Schon mal überlegt, für Finnland beim Eurovision Song Contest teilzunehmen?
Ehrlich gesagt, ja. Als wir noch keinen Plattenvertrag hatten. Ich bin aber froh, dass wir es auch ohne Eurovision geschafft haben. Wir werden aber jedes Jahr von den Finnen gefragt, ob wir teilnehmen wollen.

von Sunrise Avenue (v. l. ).
Auf Instagram sieht man, wie sportlich du bist. Wie oft trainierst du?
So drei bis vier Mal pro Woche. Manchmal sind die Tage lang, und da ist es nicht einfach, sich zum Sport zu zwingen. Es tut aber trotzdem gut, ich brauche es als Ausgleich. Wenn ich nichts mache, merke ich das sofort an meiner Stimme.
Wie entspannst du?
Ich bin gerne alleine im Hotelzimmer und schau Netflix, gerade habe ich die dritte Staffel von «Narcos» fertig geschaut. «The Black Mirror» finde ich auch empfehlenswert. «Game of Thrones» habe ich zwar angefangen, es hat mich aber nie wirklich gepackt. Manchmal gehe ich aber auch spazieren, beispielsweise vom Hotel in die Zürcher Altstadt. Mit Hoodie und Sonnenbrille.
Welche finnischen Künstler müssen wir in der Schweiz kennen?
Es gibt viele, die meisten singen aber auf Finnisch. Ich liebe Anna Puu, meine Lieblingsband ist Happoradio, und Haloo Helsinki! kann ich auch empfehlen. Das sind meine Favoriten.
Welches Erlebnis in der Schweiz wirst du nie vergessen?
Der letzte Auftritt unserer ersten richtigen Tour im Volkshaus Zürich vor zehn Jahren. Es war ausverkauft, viele Freunde und auch unsere Familie waren da, und ich hörte vor der Show die Zuschauer hinter dem Vorhang. Da rauchte ich eine Zigarette, trank meinen Kaffee und musste ein bisschen weinen, weil ich dachte: Jetzt haben wir es endlich geschafft. Unser Traum wurde wahr, wir haben eine Europatournee gespielt und konnten einen Tag später heimfliegen. Und wir sind erst zwei Tage später heimgeflogen. Wir haben später im Hotel so fest gefeiert, dass wir total betrunken waren und unsere Rückreise verschieben mussten.