Kilian Ziegler, der amtierende Schweizer Meister im Einzel und Team, bringt die Verbundenheit der Slam-Szene auf den Punkt. «In erster Linie freuen wir uns aufeinander, und erst an zweiter Stelle steht der Wettkampf», so der Oltner, «nicht umsonst nennen wir uns auch die ‹Slamily› ein Wortspiel aus Slam und Family.» Man freut sich mit jedem, der gewinnt, umso mehr wenn der eigene Name am Ende auf dem Siegertreppchen steht und die Flasche Whiskey von Hazel Brugger entgegennehmen darf.

Inzwischen ist die deutschsprachige Szene aus dem Schatten des grossen Bruders USA herausgetreten und ihm sogar über den Kopf gewachsen. In Hamburg waren neulich 5’000 Besucher dabei. Der Austragungsort wechselt jährlich. Ganze zehn Jahre musste die Schweiz sich seit 2008 gedulden, um die besten Wortakrobaten, Sprachkünstler, Reimjongleure und Poeten nun wieder bei sich willkommen zu heissen.

Poetry Slam ist ein moderner Dichterwettstreit, bei dem Poetinnen und Poeten allein oder in Teams mit selbst geschriebenen Texten gegeneinander antreten. Ob Geschichten, Rap, Lyrik oder Komik – mit allen Mittel der Kunst kämpfen die Slammer um die Gunst des Publikums. Die Struktur des traditionellen Slams wurde 1986 von Marc Smith, dem Bauarbeiter und Dichter, bei einer Lesereihe in einem Jazzclub in Chicago festgelegt. Der Wettbewerb verbreitete sich schnell über das ganze Land und fand in New York City im Nuyorican Poets Café ein dauerhaftes, schon legendäres Zuhause.

Urgestein der Zürcher Slam-Poetry-Szene: Phibi Reichling
Urgestein der Zürcher Slam-Poetry-Szene: Phibi Reichling

200 Wortakrobaten kommen zum Slam nach Zürich – aus Deutschland, Österreich, Luxemburg, dem Südtirol und weiteren Orten der Schweiz. Nach der Eröffnungsgala im Schauspielhaus geht es in den Kreisen 4 und 5 weiter – in der Amboss Rampe, im Kasheme, im Kosmos, Plaza, X-TRA und im Volkshaus. Der Höhepunkt nach vier Tagen Wettstreit im Einzel findet am 10. November im Hallenstadion Zürich statt. Die zwölf Vorrunden, vier Halbfinale und der Team-Wettstreit, der als Königsdisziplin der Community gilt, verlangen den Teilnehmenden alles Können ab.

Nicht nur die Konkurrenz erhöht den Druck auf die Teilnehmenden, sondern auch die Uhr: In nur sechs Minuten muss der Text überzeugen. Die Vortragenden werden sowohl nach der Art und Weise der Darbietung beurteilt, wie auch nach Stil und Inhalt. Die Kunst, Begeisterung auszulösen und das Publikum zu fesseln, ist ausschlaggebend. Der Zuhörer ist gleichzeitig Beobachter – und letztlich auch der cäsarische Daumen, der zum Schluss entweder nach oben oder nach unten zeigt.

Schweizerdeutsch gilt als besonders dynamisch und aussagekräftig

«Viele Texte lassen sich nicht eins zu eins ins Hochdeutsche übersetzen, da sie dann an Dynamik und Aussagekraft verlieren. Somit haben wir als Schweizer einen Heimvorteil.»

Kilian Ziegler

Das Aushängeschild der deutschsprachigen Szene, Hazel Brugger, wird zusammen mit dem Urgestein der Zürcher Szene, Phibi Reichling, durch das Finale führen. «Der Vorteil einer Meisterschaft in der Schweiz ist, dass wir unsere Mundarttexte nicht umschreiben müssen», so Laurin Buser, der im Einzel sowie im Team «Zum goldenen Schmied» zusammen mit Fatima Moumouni antritt. «Viele Texte lassen sich nicht eins zu eins ins Hochdeutsche übersetzen, da sie dann an Dynamik und Aussagekraft verlieren. Somit haben wir als Schweizer einen Heimvorteil.»

Dies sei aber auch der einzige Vorteil, sagt Kilian Ziegler: «Das Publikum lässt sich nicht von der Herkunft blenden und bewertet die Leistung der Vortragenden unparteiisch. Der Beste gewinnt.» Bei beiden Slammern überwiegt aber die Vorfreude. Von Nervosität ist bei den Herren nichts zu spüren.

Slam 2018 – Deutschsprachige Poetry-Slam-Meisterschaften
6.–10.11.2018, diverse Orte, Zürich
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