Foto: Nicolas Y. Aebi

Ob am Broadway, in Taiwan oder Europa: Mummenschanz ist seit 47 Jahren weltbekannt und hat pro Jahr hundert Shows. Floriana Frassetto, Mitgründerin, erzählt über die Perle, Erinnerungen an ihre Anfänge und über die Zukunft.

Die 68-jährige Schweizerin erinnert sich, wie sie im Jahr 1972 in Paris zusammen mit Andres Bossard und Bernie Schürch Mummenschanz gründete. «Ich bin immer wieder erstaunt, wie schnell die Zeit vergeht. ‹Mummenschanz› kommt vom Wort ‹vermummen› und ‹schanz› vom französischen ‹la chance›.» Kurz nach der Gründung trat Mummenschanz am Broadway auf und behielt dort seinen Platz für drei Jahre.

Eigentlich ganz simpel: Mummenschanz erzählt mit ihren farbigen Kostümen eine poetische Geschichte. Foto: Marco Hartmann

Die meisten Amerikaner haben jedoch den Namen nicht verstanden und nannten sie «Woman’s Chance» oder «Mother’s Chance». Erinnerungen an die Zeit am Broadway habe sie unzählige. «Viele Schauspieler kamen, um unsere Show zu sehen.» So sass eines Abends sogar Woody Allen unter den Zuschauern. «Am besten gefällt mir an New York, dass so viele unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen», sagt Floriana Frassetto und ergänzt: «Mummenschanz erzählt Geschichten, über die jeder gleich fühlt und denkt. Darum sind wir Menschen grundsätzlich alle gleich.»

Bereits nach sechs Monaten am Broadway wurden zwei weitere Mummenschanz-Formationen zusammengestellt und trainiert, damit Mummenschanz auf der ganzen Welt aufgeführt werden konnte. Heute gibt es nur noch eine Gruppe – mit Zweitbesetzungen für die jüngeren Artisten, damit diese auch andere Engagements annehmen können. Floriana selber steht bei jeder Aufführung auf der Bühne und scheint noch lange nicht genug zu haben. «Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich mindestens sechs Monate pro Jahr auf Tour bin.» Florianas Lieblingsziel ist Südkorea. «Ich liebe die Leute da – und das Essen», schwärmt sie. Da Mummenschanz eine eigene Spieltechnik hat, war es nie einfach, neue Artisten zu rekrutieren. «Man muss alle diese kleinen Gesten anschauen, um zu der Essenz zu kommen. Das ist Mummenschanz.» Floriana steht aber nicht nur auf der Bühne.

«Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich mindestens sechs Monate pro Jahr auf Tour bin.»

Sie gestaltet auch Masken und hat die künstlerische Leitung der Show. «Es fasziniert mich, Masken zu gestalten, mit Kollegen zusammenzuarbeiten und stets neue Ideen zu sammeln.» Obwohl Letzteres nicht so einfach sei, denn die Ideen kämen nie dann, wenn man sie brauche, sondern immer dann, wenn man sie zuletzt erwarten würde. Man könnte denken, dass die Nervosität nach 47 Jahren irgendwann nachlässt. Doch Floriana hat noch heute bei jeder Aufführung ein gesundes Stück Nervosität in sich. «Man weiss ja nie, was einen erwartet oder wer im Publikum sitzt.» Für ihre Lieblingsszene, die sie zusammen mit Mummenschanz-Mitgründer Andres Bossard aufführte, packten sie sich Kuchenteig aufs Gesicht, probierten und assen sich dann gegenseitig den Teig aus dem Gesicht. «Einmal habe ich mir zu viel Wasser aufs Gesicht aufgetragen, sodass der Teig auf den Bühnenboden klatschte.» Dank Florianas Erfahrung und Improvisationskünsten nahm dann doch noch alles ein gutes Ende.

«Auch wir vergessen auf der Bühne unsere Probleme.»

Die Mond-Maske gestaltete Mummenschanz-Mitgründerin Floriana Frassetto für einen alten Freund. Foto: Nicolas Y. Aebi

Seit 47 Jahren ist Mummenschanz zeitlos. Für Floriana gibt es dafür nur eine Erklärung: Mummenschanz veranlasse die Zuschauer, ihre Probleme für anderthalb Stunden zu vergessen. «Auch wir vergessen auf der Bühne unsere Probleme.» Floriana erlebte auch schwierige Momente in ihrem Leben. Zum Beispiel, als Andres starb. «Ich weinte in der Garderobe, bevor ich die Maske aufsetzte. Doch als ich die Bühne betrat, war ich in einer anderen Welt. Deshalb nenne ich die Show auch «You & Me» – jeder Einzelne im Publikum sowie alle Artisten auf der Bühne tauchen zusammen in eine andere Welt ein.»

Mummenschanz hat ausser ein paar Geräuschen keine Musik – dadurch werden die Emotionen der Menschen an einer tiefen Stelle berührt. «Ich hätte nie gedacht, dass wir eine solche Perle blühen lassen könnten.» Viele Zuschauer haben Mummenschanz schon vor 30 Jahren gesehen und besuchen die Vorstellung jetzt erneut – mit ihren Kindern. «Unsere Perle kann hoffentlich noch lange bestehen bleiben.»

 

Mummenschanz – «You & Me»
18. und 19.10.2019, Theater 11 Zürich
25. und 26.10.2019, Musical Theater Basel
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