Im Jahr 2008 begann David Garrett sein Crossover-Abenteuer. Zehn Jahre und zehn Alben später: Der Geigenmeister zählt zu den grössten Stars der heutigen Musikszene. Nun feiert der Deutsche sein Bühnen jubiläum mit «Unlimited» auf eine ganz besondere Art: Zusammen mit seiner Band und der Neuen Philharmonie Frankfurt möchte sich Garrett bei seinen Fans für die gemeinsame Zeit bedanken und ist bei insgesamt 19 Konzerten zu erleben.
DAVID: SEI IMMER TREU ZU DIR SELBER
event.: Du littest unter einem Bandscheibenvorfall und musstest deswegen viele Konzerte absagen. Wie war das für dich?
David Garrett: Das war eine schwierige Zeit für mich. Nicht nur, weil es wehtat, sondern auch, weil ich realisierte, dass ich die Geige rigoros für sechs Monate nicht anfassen darf. Ich war gewohnt, jeden Tag mehrere Stunden zu üben – teilweise sogar im Auto. (lacht) Da musste ich mich wirklich durchkämpfen. Natürlich tut es mir auch unglaublich leid, dass die Konzerte abgesagt werden mussten. Ich hatte damals aber leider nur zwei Optionen: Entweder spiele ich weiter und kann dann für den Rest meines Lebens gar nicht mehr auftreten, oder ich mache ein halbes Jahr Pause und schlucke diese bittere Pille.

Jetzt bist du aber wieder geheilt.
Genau. Ich habe mir auch extra mehr Zeit genommen, um völlig austherapiert zu sein und nicht nach ein paar Monaten wieder in die gleiche Situation zu geraten. Für mich war ganz klar: Ich will das nicht noch einmal erleben! Gott sei Dank hat es ohne Operation geklappt.
War das Violinespielen nach diesen sechs Monaten wie Radfahren?
Ich hatte befürchtet, dass es länger dauern würde. Aber das Gefühl fürs Instrument konnte ich bereits innerhalb von ein bis zwei Tagen wieder erlangen. Vor allem hatte ich keine Schmerzen mehr –und somit noch mehr Spass daran.
Hatte dieser Vorfall auch was mit deiner Haltung zu tun?
Natürlich hat das ein Stück weit damit zu tun. Ich habe auch mit den Ärzten an der Geigenposition gearbeitet. Es gab ein paar kleine Punkte, die man mir nahe gelegt hat und die ich auch verändert habe, damit ich einen weiteren Bandscheibenvorfall vermeiden kann.
Mit der «Unlimited Greatest Hits»Tour feierst du dein 10jähriges Jubiläum.
Richtig. Für mich ist das der richtige Zeitpunkt, eine Tour mit den besten Songs aus den letzten zehn Jahren zusammenzustellen. Alles, Live bei den Tourneen am tollsten funktioniert hat. Die «Unlimited Greatest Hits» – CD ist ja im Oktober bereits erschienen.
Dort hats aber auch neue Songs drauf?
Wir haben für das Album sowie für die Tour sechs komplett neue Songs aufgenommen
und zusätzlich vier alte Songs neu arrangiert, die wir in einem neuen musikalischen Gewand präsentieren.
Also unplugged?
Genau! Smooth Criminal haben wir zum Beispiel unplugged aufgenommen. In der Originalbesetzung haben wir mit E-Gitarre, E-Bass und vielen Synthesizern gearbeitet. Das ist jetzt bei den vier Songs alles raus. Ich finde, das ist ein sehr schöner Gegenpol zu den grossen Arrangements – und man kann es mit einem kleinen Ensemble auch in grossen Hallen spielen.
Zehn Jahre, zehn Alben. Geht das jetzt so weiter?
Jetzt freue ich mich erst mal auf die Tour. Die letzten zehn Jahre waren extrem schnelllebig, deshalb ist so ein musikalischer Rückblick für mich jetzt auch extrem schön. Allerdings beschäftige ich mich auch schon wieder mit Ideen für ein neues Album – was etwas ganz anderes, spannendes wird.

Nach welchen Kriterien suchst du deine Songs aus?
In allererster Linie müssen sie mir gefallen. Dann muss man sich überlegen, wie weit man vom Original abweichen darf, damit der Wiedererkennungseffekt bleibt und man gleichzeitig einen interessanten Geigenpart schreiben kann. Es gibt noch Tausende weitere Kleinigkeiten, die eine Rolle spielen, bis das Stück auch im Arrangement mit einem
klassischen Instrument funktioniert.
Neben dem Crossover spielst du auch zahlreiche klassische Konzerte. Was ist anspruchsvoller?
Es ist beides sehr unterschiedlich. Diese sechs bis siebenmonatigen Crossover- Tourneen sind immer so ein kleines Gesamtkunstwerk. Es wird viel vorbereitet. Ich arbeite auch zusammen mit meinem Team daran und möchte wissen, wo ich bei welchen Songs auf der Bühne stehe, was für Lichter und Lichtfarben wir haben – und so weiter. Auf diese Details lege ich seit vielen Jahren sehr viel Wert. Natürlich ist die Konzentrationsphase bei einem 45-minütigen Violinkonzert eine andere als bei einem nur dreiminütigen Song. Aber letztlich geht es um die Interpretation und um die Nuancen, die man in ein Stück hineinbringt. Das ist immer sehr anspruchsvoll.
Du hast bereits mit vielen bekannten Orchestern gespielt. Mit wem hast du
noch nicht – und willst du noch?
Mit den Berliner Symphonikern. Das wäre schon ein Wunschtraum.
Wie oft erfährst du als weltbekannter Musiker Kritik?
Ich muss sagen: In den letzten paar Jahren war es sehr angenehm, was die
Kritiken angeht. Gerade auch im klassischen Bereich. Am Anfang gab es schon einige Vorurteile und Vorbehalte.
Führst du vor dem Konzert ein Ritual durch?
Tief durchatmen! (lacht)
«Itzhak Perlman lehrte mich, meine eigene Interpretation zu suchen.»
Heisst das, du bist noch nervös?
Absolut! Ich glaube, Nervosität ist auch wichtig. Das ist ein Stück weit auch ein
gesunder Anteil Adrenalin. In dem Moment, in dem ich die Bühne betrete, beginnt die Konzentration – und als Profi bringe ich die Nervosität schnell unter Kontrolle.
Während deines Musik-Studiums in New York hast du mit einem der bekanntesten Geiger studiert. Was hast du von Itzhak Perlman mitgenommen?
Extrem viel! Das Allerwichtigste ist, dass man sich selber treu sein muss. Sprich, dass du nie etwas tun solltest, ohne darüber nachzudenken. Dass man sich immer hinterfragt, egal wie oft man ein Konzert gespielt hat oder wie gut man es spielt. Er hat mir immer gesagt: «Such deine eigene Interpretation und hör dir keine CDs an!» An diesen Rat habe ich mich immer gehalten.
Was ist dein Lebensmotto?
Für die nächste Tour ist es «unlimited». Das ist auch der Begriff, den ich musikalisch für mich immer verinnerlicht habe. Weil ich mir nie Grenzen setzte, was andere Genres betrifft.