Mit zwei Freunden gründete Phil Stanton (55) in den späten Achtzigern die Blue Man Group. Dass aus einer Band mal ein weltweites Showphänomen würde, hätte er damals nicht gedacht.
Herr Stanton, vor 30 Jahren gründeten Sie mit Chris Wink und Matt Goldman die Blue Man Group bei einem Auftritt im Central Park in New York.
Ja, es war weniger ein Auftritt, mehr eine Veranstaltung. Wir hatten die Charaktere der Blue Man Group noch gar nicht fertig geformt und wollten einfach ein Zeichen gegen die traurige Achtziger-Dekade setzen. Das war 1988.
Wann haben Sie realisiert, dass die Blue Man Group so ein grosser Erfolg wird?
Nachdem wir die Show im Astor Palace Theater eröffnet haben. Dort spielt die Show heute noch. Es gab einen Moment, als wir merkten, dass nicht nur Leute aus dem New Yorker East Village, dem damaligen Epizentrum der Performance Art, unsere Show besuchten, sondern auch aus vielen anderen Stadtteilen, später Landesteilen und dann aus der ganzen Welt.
Die Cirque-du-Soleil-Gruppe hat die Blue Man Group aufgekauft. Was ändert sich nun an Ihrer Arbeit?
Cirque du Soleil will die Show belassen, wie sie ist. Wir haben schon längere Zeit grössere Ideen für Shows, beispielsweise eine Arena-Show, und möchten auch wieder eine Show produzieren, die mehr auf Musik setzt. Sie haben die Ressourcen dafür und helfen uns, eine neue Seite der Blue Man Group zu entdecken. Wir werden aber keine Akrobaten in der Show haben.
Die Blue Man Group ist auch eine sozialkritische Show. Was ist die wichtigste Nachricht für Sie?
Es gibt in der Show viele lustige Sequenzen über die frustrierenden Seiten der Technologie. Doch eigentlich geht es in der Show um das Zusammenbringen der Leute, darum, auf kreative Weise zu zeigen, dass wir unter unserer Haut alle gleich sind.

Wieso sprechen die blauen Männer nicht?
Gute Frage. Wir hatten damals keine Gründe dafür oder dagegen, sondern einfach intuitiv entschieden. Ich glaube, dass non-verbales Theater kombiniert mit visuellen Elementen und Musik Menschen eine erweiterte emotionale Erfahrung gibt.
Und wieso sind die Blue Men blau?
Das war intuitiv. Ich könnte im Nachhinein viele Gründe dafür finden: Blau sind der Himmel und das Meer, und die Erde ist der blaue Planet. Und der Look hat die Menschen irritiert. Darum hat für uns die Farbe Blau einfach gepasst.
Sie haben als Underground-Künstler gestartet. Verfolgen Sie die Underground-Künstlerszene noch?
Klar, ich schaue mir viele Shows an, aber habe nicht genug Zeit. Strassenperformances waren aber nie wirklich mein Ding. Ich kam damals nach New York, um Schauspiel zu studieren. Und ich bin jemand, der gerne Dinge baut und erschafft. Darum haben wir auch mechanische Dinge zusammengebaut und neue Instrumente geschaffen.
Die Blue Man Group wird mittlerweile von verschiedenen Menschen gespielt. Wann waren Sie zuletzt als Blue Man auf der Bühne?
Vor fünf Jahren. Ich vermisse es sehr, ich werde im Herzen immer ein Performer sein. Aber man muss für die Rolle viel proben. Und ich glaube, ich bin mittlerweile etwas zu alt. Obwohl wir auch Darsteller haben, die fast so alt sind wie ich.
Muss man als Blue Man eigentlich schon vor dem Casting Dinge mit dem Mund fangen können?
Es gibt schon gewisse Eigenschaften, die wir beim Casting voraussetzen. Dazu gehört auch eine gewisse Koordination, mit welcher man auch schnell lernen kann, Dinge mit dem Mund zu fangen. Das kann aber eigentlich jeder lernen.
Was ist speziell an der Blue-Man-Group-Show, die in die Schweiz kommt?
Sie beinhaltet das aktuellste Material, an dem wir gearbeitet haben. Und es ist die wohl sprachlich reduzierteste Version der Show. Eine Zeit lang folgten die Blue Men einer Stimme, aber jetzt haben die Blue Men selber das Steuer in der Hand und führen durch den Abend. Das mögen wir besser. So müssen wir auch viel weniger übersetzen, das hat uns zu diesem Punkt gebracht.

Sie haben mit Ihren Kollegen die Blue School in New York gegründet. Was steht dahinter?
Die Blue Man Group repräsentiert für mich den menschlichen Drang der Neugier, Kreativität und Zugehörigkeit. Diese drei Dinge haben uns auch dazu animiert, eine Schule zu gründen. Wir wollten eine Schule, die das hat, was uns bei unserer Schulbildung gefehlt hat. Aber wir glauben nicht, dass wir etwas komplett Neues machen, sondern dass wir ein Teil einer globalen Bewegung sind.
Sie arbeiten schon fast drei Dekaden mit den anderen Blue-Man-Group-Gründern zusammen. Das muss ja eine starke Freundschaft sein!
Ja, das ist es wirklich. Matt hat sich aber mittlerweile von der Arbeit an der Blue Man Group abgewendet und kümmert sich nun mehr um die Blue School. Aber wir sind immer noch sehr gute Freunde.
Was ist der nächste Schritt für die Blue Man Group?
Ich hoffe, dass wir in den nächsten Jahren eine neue Welttournee starten. Aber der Fokus liegt aktuell darauf, im Herbst 2019 eine komplett neue Show präsentieren zu können. Unsere Zusammenarbeit mit Cirque du Soleil ist noch sehr neu, deshalb müssen wir noch einige Male mit ihnen zusammensitzen und schauen, was wir mit der Blue Man Group alles machen können und wohin wir wollen.